Meinungsfreiheit
Das Recht auf freie Meinungsäußerung, das durch das Gesetz über nationale Sicherheit und andere repressive Gesetze bereits stark eingeschränkt war, wurde 2024 weiter beschnitten.
Im März 2024 verabschiedete der Legislativrat von Hongkong nach einer unzureichenden öffentlichen Konsultation einstimmig die Verordnung zum Schutz der nationalen Sicherheit (SNSO). Mit diesem lokalen Gesetz wurden neue Verstöße gegen die nationale Sicherheit eingeführt und die Strafen für bestehende Verstöße verschärft. Außerdem wurden die weitreichenden Durchsetzungsbefugnisse der lokalen Regierung gestärkt. Mit der Verordnung wurden die weit gefassten und vagen Definitionen der Begriffe “nationale Sicherheit” und “Staatsgeheimnisse” aus Festlandchina übernommen, die sich auf nahezu sämtliche Verhaltensweisen oder Informationen erstrecken können. Die SNSO ersetzte ein bislang häufig angewandtes Gesetz über Staatsgefährdung aus der Kolonialzeit, führte allerdings härtere Strafen für die Absicht ein, “Hass oder Feindschaft unter den Menschen aus verschiedenen Regionen Chinas” zu schüren. Hierzu gehörten ausdrücklich auch Handlungen oder Äußerungen, die nicht zur Gewalt anstiften. Die Höchststrafe für Staatsgefährdung wurde von zwei auf sieben Jahre erhöht. Bei mutmaßlicher Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften drohten gar bis zu zehn Jahre Haft.
Nach der Verabschiedung der SNSO wurden 15 Personen unter Verweis auf die darin enthaltenen Bestimmungen über Staatsgefährdung festgenommen, vier von ihnen wurden angeklagt. Im September ergingen gegen drei von ihnen in separaten Verfahren Schuldsprüche, weil sie T-Shirts und Masken mit aufgedruckten Protestparolen getragen, auf Internetplattformen regierungskritische politische Kommentare veröffentlicht und Parolen auf Sitze in Bussen geschrieben hatten. Sie wurden zu Haftstrafen zwischen zehn und 14 Monaten verurteilt.
Im Juni und Dezember 2024 machten die Behörden von ihren neuen Befugnissen im Rahmen der SNSO Gebrauch und annullierten die Pässe von sechs und später sieben weiteren im Ausland lebenden politisch engagierten Hongkonger Aktivisten, gegen die im Jahr 2023 Haftbefehle erlassen worden waren. Weitere sechs im Ausland lebende Aktivist*innen wurden auf eine Fahndungsliste gesetzt, und es wurde eine Belohnung von jeweils 1 Mio. Hongkong-Dollar (etwa 120.000 Euro) auf sie ausgesetzt.
Im Mai 2024 gab das Berufungsgericht einer einstweiligen Verfügung der Regierung zwecks Verbots des prodemokratischen Protestlieds “Glory to Hong Kong” statt. Laut dieser Entscheidung, mit der ein Urteil der Vorinstanz aufgehoben wurde, ist es Personen verboten, das Lied mit einer gegen die nationale Sicherheit gerichteten Absicht – wie z. B. mit der Absicht der Staatsgefährdung oder der Anstiftung zur Abspaltung – zu übertragen, darzubieten, zu vertreiben, zu verbreiten, auszustellen oder zu vervielfältigen. Wer gegen die Anordnung verstößt, kann wegen Missachtung des Gerichts zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Nach der Entscheidung sperrte Youtube den Zugang von Nutzer*innen in Hongkong zu 32 Videos, in denen das Lied vorkommt.
Ebenfalls im Mai 2024 befand das Hohe Gericht in einem großen Prozess gegen 47 Demokratieverfechter*innen 14 Personen gemäß dem Gesetz über nationale Sicherheit der “Verschwörung zur Subversion” für schuldig, weil sie für die Legislativratswahlen im Jahr 2020 inoffizielle Vorwahlen organisiert hatten (die Wahlen zum Legislativrat waren letztlich verschoben worden). Weitere 31 Angeklagte hatten sich bereits zuvor in denselben Anklagepunkten schuldig bekannt. Im November 2024 verhängte das Gericht Haftstrafen gegen die insgesamt 45 Angeklagten, die von vier Jahren und drei Monaten bis zu zehn Jahren reichten. Zwei weitere Angeklagte wurden freigesprochen, aber das Justizministerium legte gegen einen dieser Freisprüche Rechtsmittel ein.
Der Prozess gegen Jimmy Lai, den 77-jährigen Gründer der prodemokratischen Zeitung Apple Daily, wegen des Vorwurfs der “Kollaboration mit ausländischen Kräften” wurde fortgesetzt und dauerte Ende 2024 noch an. Die Abwesenheit von Jimmy Lai bei einer Anhörung im Juni löste wegen seines schlechten Gesundheitszustands Besorgnis aus. Ein*e Prozessbeobachter*in von Reporter ohne Grenzen durfte im Juni nicht nach Hongkong einreisen.
Im August 2024 wies das letztinstanzliche Berufungsgericht ein Rechtsmittel von Jimmy Lai und sechs weiteren Aktivist*innen ab. Sie hatten einen früheren Schuldspruch angefochten, der auf ihrer Teilnahme an einer nicht genehmigten Versammlung während der Proteste im Jahr 2019 beruhte. Für diese war Jimmy Lai zu neun Monaten Haft verurteilt worden.
Mehrere Personen wurden 2024 wegen “Verunglimpfung” der chinesischen Nationalhymne angeklagt. Im Juni kamen drei Personen unter Berufung auf die Verordnung über die Nationalhymne in Haft, weil sie sich abgewandt hatten, als die Hymne bei einem Fußballspiel abgespielt wurde. Im August 2024 wurde ein Mann zu acht Wochen Gefängnis verurteilt, weil er sich die Ohren zugehalten und ein mit der Demokratiebewegung in Verbindung gebrachtes Lied gesungen hatte, während die Hymne bei einem Volleyballspiel im Jahr 2023 gespielt wurde.
Im August 2024 wurden zwei ehemalige Redakteure des inzwischen geschlossenen Medienunternehmens Stand News, Chung Pui-kuen und Patrick Lam, der “Verabredung zur Veröffentlichung aufrührerischer Publikationen” für schuldig befunden. Im September wurde Chung Pui-kuen zu 21 Monaten und Patrick Lam zu elf Monaten Haft verurteilt. Patrick Lam legte im Oktober Rechtsmittel gegen das Urteil ein.
Versammlungsfreiheit
Die Behörden unterbanden 2024 ein weiteres Mal Kundgebungen zum Gedenken an die blutigen Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz von 1989. Am 4. Juni 2024, dem 35. Jahrestag der Niederschlagung der friedlichen Proteste in Peking und anderen Landesteilen, wurde eine starke Polizeipräsenz im und um den Victoria-Park gemeldet, wo 30 Jahre lang Mahnwachen abgehalten worden waren, bevor sie 2020 verboten wurden. Vier Personen wurden offiziell festgenommen, fünf weitere wurden “auf die Polizeiwache gebracht”. Personen auf Polizeiwachen zu bringen ist eine Einschüchterungstaktik, die es der Polizei ermöglicht, eine Person vom Ort des Geschehens zu entfernen, ohne sie offiziell festzunehmen.
Im Januar 2024 setzte das letztinstanzliche Berufungsgericht das Urteil gegen die Aktivistin Chow Hang-tung wegen “Anstiftung zur Teilnahme an einer nicht genehmigten Versammlung” wieder in Kraft, nachdem sie 2022 freigesprochen worden war. Der Schuldspruch bezog sich auf eine Versammlung im Jahr 2021 zum Jahrestag der blutigen Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz. Ein weiteres Gerichtsverfahren gegen Chow Hang-tung wurde wiederholt verschoben, und sie befand sich Ende 2024 noch in Untersuchungshaft. Wegen ihrer Mitgliedschaft in einer Gruppe, die alljährlich im Victoria-Park Tiananmen-Mahnwachen mit Kerzen abhält, wurde ihr unter dem Gesetz über nationale Sicherheit “Anstiftung zum Umsturz” vorgeworfen.
Ende Mai 2024 leitete die Polizei weitere Strafverfahren gegen Chow Hang-tung ein und nahm außerdem ihre Mutter und sechs ihrer Freund*innen fest. Ihnen wurde gemäß SNSO vorgeworfen, “ein bevorstehendes sensibles Datum ausgenutzt zu haben, um wiederholt Beiträge mit staatsgefährdender Absicht auf einer Social-Media-Plattform zu veröffentlichen”.
Vereinigungsfreiheit
Im Juli 2024 verabschiedete der Legislativrat ein Gesetz, das dafür sorgte, dass die Zulassungsstelle für Sozialarbeiter*innen mehrheitlich mit von der Regierung ernannten Personen besetzt wird. Zuvor hatte ein Regierungsangestellter die Stelle kritisiert, weil sie sich geweigert hatte, Personen die Zulassung zu verweigern, die wegen Verstößen gegen die nationale Sicherheit verurteilt worden waren.
Ebenfalls im Juli gab die zivilgesellschaftliche Organisation Hong Kong Christian Institute bekannt, dass sie sich aufgrund der “gesellschaftlichen Rahmenbedingungen” und der damit einhergehenden Handlungsunfähigkeit auflösen werde. Die Organisation hatte 2014 die Demokratiebewegung und 2019 die Proteste gegen ein Gesetz unterstützt, das Auslieferungen an Festlandchina ermöglicht hätte.
Im September 2024 schloss sich das Hohe Gericht der Auffassung der Regierung an, wonach die Hongkonger Gewerkschaft der Sprachtherapeut*innen, der man im Jahr 2021 die Zulassung entzogen hatte, Geldmittel auf eine Weise eingesetzt habe, die die nationale Sicherheit gefährdete. Das Gericht erließ einen Beschlagnahmebeschluss, der die Regierung ermächtigte, von der prodemokratischen Gewerkschaft 116.000 Hongkong-Dollar (etwa 14.000 Euro) einzuziehen.
LGBTI+
Die Regierung von Hongkong legte 2024 keine aussagekräftigen Informationen über Fortschritte bei der Umsetzung eines Urteils vor, mit dem das Berufungsgericht der letzten Instanz die Regierung im Jahr 2023 aufgefordert hatte, einen alternativen Rechtsrahmen für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu schaffen.
Im November 2024 wies das Berufungsgericht der letzten Instanz das Rechtsmittel der Regierung gegen ein Gerichtsurteil zurück, das gleichgeschlechtlichen Paaren, die im Ausland geheiratet hatten, dieselben Rechte auf Erbschaft und öffentlichen Wohnraum gewährte wie heterosexuellen Ehepaaren.
Medienberichten zufolge kürzte die Hongkonger Regierung mindestens drei LGBTI-Gruppen die Mittel und setzte Verwaltungsmaßnahmen durch, um die Mittelbeschaffung und Werbetätigkeit einer der Gruppen zu behindern.